Krankenhausbehandlung ist kein Konsum

Krankenhäuser sind eigentlich von der Umsatzsteuer befreit. Doch nach dem Willen deutscher Finanzbehörden gilt diese Regel nicht für Privatkliniken, also Krankenhäuser, die Privatpatienten behandeln. Unser Faktencheck zeigt: Das widerspricht dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit, dem europäischem Recht und den allgemeinen Besteuerungsprinzipien, nach denen die Umsatzsteuer auf den „Verbrauch“ gerichtet ist.

Operationsteam im Krankenhaus

► Um diese Kliniken geht es 

Betroffen sind Kliniken, die privat versicherte Patient:innen, Beihilfeberechtigte, Selbstzahler und gesetzlich Versicherte (im Kostenerstattungsverfahren) behandeln. Diese Kliniken benötigen keinen Vertrag mit den gesetzlichen Krankenkassen (§ 109 SGB V) und müssen auch nicht im Krankenhausplan eines Bundeslandes stehen (§ 108 SGB V). Sie sind aber behördlich zugelassen (§ 30 GewO) und unterscheiden sich von den Kliniken für gesetzlich versicherte Patient:innen hauptsächlich darin, dass sie über eine überdurchschnittliche personelle und technische Ausstattung verfügen, einen höheren Komfort (wie Einzelzimmer) anbieten und meist auf besondere Behandlungsbereiche spezialisiert sind. In Deutschland gibt es rund 180 dieser Privatkliniken, in den insgesamt etwa 4.000 Betten aufgestellt sind.

► Gleiche Leistung – unterschiedliche Besteuerung

Kran­ken­haus­be­hand­lun­gen und ärzt­li­che Heil­be­hand­lun­gen sind grundsätz­lich steu­er­frei ( § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG). Eine sinnvolle Ausnahme, denn die Umsatzsteuer ist wirtschaftlich betrachtet eine Verbrauchssteuer, weil sie derjenige trägt, der ein erworbenes Produkt oder eine Leistung konsumiert - was bei stationärer oder ambulanter Krankenbehandlung nicht der Fall ist.

Privatkliniken erbringen die gleichen medizinisch notwendigen Leistungen wie andere Kliniken, anders ist bei ihnen lediglich der Kostenträger. Dennoch sind die Privatkliniken nach der gegenwärtigen Rechtslage nur eingeschränkt von der Umsatzsteuer befreit. Denn nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz gilt die Befreiung für Privatkliniken nur, wenn

  • mindestens 40 Prozent ihrer Leistungen von öffentlichen Sozialträgern finanziert werden oder
  • mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde.

Eine vernünftige Begründung für diese Ungleichbehandlung sucht man vergeblich. Die betroffenen Kliniken wehren sich deshalb sowohl beim deutschen Gesetzgeber als auch auf europäischer Ebene gegen die ungerechte steuerliche Behandlung.

► Verstoß gegen europäisches Recht

Die deutsche Vorschrift zur Umsatzsteuer von Privatkliniken verstößt gegen die Vorgaben der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL). Dort ist in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b geregelt, dass die Befreiung auch für solche Einrichtungen gilt, die mit Kliniken für gesetzlich Versicherte in sozialer Hinsicht vergleichbar sowie ordnungsgemäß anerkannt sind und wenn die Leistungen in „gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden.“ Tatsächlich erfüllen die deutschen Privatkliniken genau die genannten Bedingungen. Nach EU-Recht ist die deutsche Regelung deshalb eindeutig eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.
Auch der Bundesfinanzhof hat bereits in mehreren Urteilen (2014, 2015 und 2019) festgestellt, dass die Privatkliniken steuerlich anders behandelt werden als Kliniken für gesetzlich Versicherte, obwohl zwischen beiden keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Beide Klinikarten erbringen notwendige Krankenbehandlungen (gemäß § 27 Absatz 1 SGB V).
Auch der Bezug auf die Höhe der Pflegesätze zur Überprüfung der sozialen Vergleichbarkeit ist nicht sachgerecht, denn Privatkliniken erhalten keine öffentlichen Investitionszuschüsse. Vielmehr finanzieren sie ihre Betriebs- und Investitionskosten allein aus den Pflegesätzen, die folglich höher sein müssen als bei staatlich finanzierten Krankenhäusern.

► Unnötige Belastungen 

Für die Privatkliniken führt die ungerechtfertigte und ungleiche steuerliche Behandlung zu erheblichen Erschwernissen, unnötigen Mehrkosten und rechtswidrigen Wettbewerbsnachteilen.

  • Unterschiedliche Handhabung: Die Steuerpflicht wird von den jeweiligen Finanzämtern unterschiedlich gehandhabt. Insbesondere Beihilfepatienten werden in einigen Bundesländern nicht angerechnet, d. h. sie werden als „schädlich“ für die 40-Prozent-Grenze beurteilt.
  • Bürokratischer Mehraufwand: Aufgrund einer unter Umständen jährlich wechselnden Steuerpflicht entsteht Kliniken und Finanzämtern erheblicher bürokratischer Mehraufwand. Teilweise warten Kliniken jahrelang auf ihre Steuerbescheide.
  • Unnötiger Rechtsstreit: Aufgrund der unklaren Gesetzeslage gehen viele Kliniken vor den Finanzämtern und den Finanzgerichten gegen ihre Steuerbescheide vor, was aufgrund langer Verfahrensdauern sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. 
  • Widersprüchliche steuerrechtliche Behandlung von GOÄ-Leistungen: Teilweise fordern Finanzämter die Umsatzsteuer auf zweifelsfrei medizinisch notwendige GOÄ-Leistungen, die von Privatkliniken erbracht wurden. Dieselben Leistungen unterliegen der Umsatzsteuer, wenn sie über das Krankenhaus abgerechnet werden. Sie sind von der Umsatzsteuer befreit, wenn die Abrechnung über das Arztkonto erfolgt.
  • Teilweise keine Erstattung: Mit Verweis auf Urteile des Bundesfinanzhofs verweigern einige private Krankenversicherungen die Zahlung der Umsatzsteuer und verweisen Privatkliniken auf den Rechtsweg gegen die Finanzbehörden.
  • Mehrkosten: Den privaten Krankenversicherungen und der Beihilfe entstehen unnötige Mehrkosten, wodurch für die medizinische Behandlung der Versicherten dann weniger Mittel mehr zur Verfügung stehen.

► Was geändert werden muss

Der Gesetzgeber sollte dafür sorgen, dass Privatkliniken genau wie Krankenhäuser für gesetzlich Versicherte  von der Umsatzsteuer befreit werden!

Damit würde das deutsche Recht im Einklang mit europäischem Recht sowie der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stehen.

Die Befreiung sollte gelten,

  • wenn es sich um eine medizinisch notwendige Krankenhausbehandlung (vgl. §27 SGB V) handelt,
  • die Klinik eine behördliche Genehmigung nach § 30 GewO besitzt und
  • die Klinik die Krankenhauskriterien des § 107 Absatz 1 SGB V sowie die weiteren Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 108 SGB V (Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit) erfüllt.